Stein-Reich

Prolog:

 

Es war eine Lichtung in einem Wald, da stand ein Haus und in dem Haus wohnte eine alte Frau. Jeden Tag ging sie Wasser holen zu der Quelle tief im Wald.

Einmal sah sie da einen Stein liegen, er glitzerte selbst im Dunkel des Waldes. Sie hob ihn auf und steckte ihn in die Tasche. Lange, lange Zeit war er in dieser Tasche.

 

Der König Hart-Herz auf diesem Planeten hatte einen Sohn, Hart-Mut, und eine Tochter, Hart-Lieb. Da er selbst ein sehr hartherziger Mensch war, hatte er seine Kinder auch sehr hart erzogen. Einzig Geld zählte und Reichtum.

 

Wie es an der Zeit war abzutreten, war es ihm eine Freude, dem Sohn alles zu überlassen und die Tochter in die Welt zu schicken ohne irgendetwas.

 

Da das Herz der beiden auch sehr hart war, fiel es Prinz Hart-Mut nicht ein die Schwester, Hart-Lieb, bei sich aufzunehmen. Und diese verschloss ihr Herz noch mehr und machte sich, voll von Rachegedanken, auf den Weg hinaus in diese Welt.

 

Auf eben diesem Weg, traf sie die Alte und sie fragte, ob sie nicht etwas zu essen hätte. Die Alte hatte nicht viel, aber das teilte sie immer wieder gerne. Also bot sie ihr ein Stück Brot, das sie ebenfalls in ihrer Tasche trug. Die Frau nahm und aß gierig, doch ihr Blick blieb an dem Stein heften. Der Gedanke daran ließ sie nicht mehr los. Sie folgte der Alten und als sie sah, dass sie allein lebte fasste sie den Entschluss diesen Stein an sich zu nehmen.

 

Am nächsten Tag kreuzte sie wie zufällig wieder den Weg der Alten und statt sie um Essen zu fragen, drohte sie ihr und verlangte den Stein aus ihrer Tasche.

Die Alte griff in die Tasche, nahm ohne zu zögern den Stein heraus und gab ihn der jungen Frau.

 

Schnell schlug diese sich durchs Dickicht davon. Endlich war sie reich …..

 

Sie ging einige Tage durch den Wald nicht sicher, ob sie am richtigen Weg war. Ihr Denken kreiste nur darum, was sie alles von diesem Stein kaufen konnte. Die Rache, war ihre. Jetzt war sie reicher als ihr Bruder und sie würde sich den Thron zurückholen.

 

Immer dichter wurde der Wald statt heller und der Stein wog schwer in ihrer Tasche, doch das Gewicht machte ihr nichts.

 

Da kam sie zu einer Siedlung. Buntes Treiben war am Marktplatz zu erkennen, fröhliche Menschen die sich unterhielten. Offensichtlich war ein Fest im Gange. Sie näherte sich und fragte nach Essen und einem Platz zum Schlafen. Doch als sie ihre Tasche öffnete leuchtete der Stein hell und glänzend also schloss sie sie sofort wieder. Doch zu spät einige gierige Blicke hatten sich verfangen und verfolgten ihr.

 

Viel zu unsicher war es hier, um auch nur ein Auge zu zumachen. Auch wusste sie nicht, ob sie nicht verfolgt werden würde auf ihrem weiteren Weg. Angst machte sich breit in ihrem Inneren und schloss sich tief um ihr Herz und machte es noch härter.

 

Sie hastete weiter und weiter – irgendwie wie im Kreis, verschiedene Siedlungen lagen auf ihrem Weg, doch sie machte nirgends mehr Halt. Essen stahl sie sich im Dunkeln, manches Tier auf der Weide war dabei. Sie schlief auf dem harten Boden. Hin und wieder ging sie verhüllt doch auf nen Marktplatz und hörte sich um. Überall hörte sie die Geschichte von der seltsamen Frau mit dem Schatz und dass sie sie suchten, um den Stein an sich zu nehmen.

 

Immer tiefer zog sie sich zurück und blieb für sich. Langsam war der Gedanke an den Stein alles was sie noch denken konnte und die Rache, wenn dann die Zeit gekommen war. Schließlich war es ihr Stein, ihr Schatz. Niemals wollte sie den wieder hergeben.

 

Sie wurde härter und härter ….

 

Die Prinzessin durchquerte einige Milchstraßen und schließlich beschloss sie wiedermal Halt zu machen auf einem Planeten.

 

An ihrem ersten Abend in einem der vielen Dörfer hörte sie von dem hartherzigen König und wie unfair sie die Entscheidung fanden, die Tochter einfach zu verstoßen. Niemand hätte jemals wieder von ihr gehört. Aber viel interessanter war die Geschichte von dem Schatz in den Wäldern. Eine seltsame junge Frau – so hieß es – eine Einsiedlerin, sei unermesslich reich. Sie besäße einen großen Stein, der sehr wertvoll sei.

 

Da auf dem Planeten der Prinzessin Weisheit mehr bedeutete als Reichtum, war ihr diese Art zu denken fremd. Doch immerhin war sie ja auf ihrer Reise um andere Ansichten zu lernen.

 

Sie durchquerte weiter die Wälder und überlegte noch so vor sich hin, was es mit diesem Stein auf sich hätte als sie auf eine Lichtung kam. Allzu vertraut war ihr das kleine Häuschen bereits. Rasch klopfte sie an und umarmte die Alte. Auch auf diesem Planeten beschloss sie einige Zeit bei ihr zu bleiben. Sie half der Alten beim Wassertragen und beim Erledigen der Arbeiten. Fast tat es ihr leid, dass hier sonst niemand anzutreffen war beim Weg zur Quelle.

 

Einmal – es war schon spät, sie hatte sich vertan und war zu spät zur Quelle gegangen – kam ihr eine hagere, verbitterte Frau in einem alten abgewetzten Umhang entgegen. Sie grüßte freundlich. Doch diese sah sie nur kaltherzig an, sie herrschte sie an, sie solle ihr gefälligst den Krug und ihr Essen geben und flüchtete.

 

Verwirrt kam die Prinzessin zur Alten zurück und erzählte ihr von der Frau. Bedächtig nickte die Alte, aber da sie genug Wasservorrat hatten und Essen auch, war die Geschichte erledigt. Nur die Prinzessin überlegte, ob es wohl die Fremde, Hart-Lieb, mit dem Schatz gewesen war. Und wenn sie diesen Schatz ihr eigen nannte, den alle haben wollten, warum war sie dann nicht glücklich ….

 

Zu dieser Zeit wurde der neue König, Hart-Mut, sehr krank. Keiner der Ärzte fand einen Grund und schon gar kein Mittel gegen die Krankheit. Da er ja ein sehr hartherziger Mann war, waren die Menschen nicht so betrübt. Der König hatte eine kleine Tochter, , die zwar auch unter der Hartherzigkeit ihres Vaters litt, aber sie wollte und konnte ihn nicht sterben lassen.

 

So machte sie sich auf, die verschollene Tante, Hart-Lieb, zu suchen. Irgendwie hatte sie so eine Ahnung, dass sie helfen konnte.

 

Und so kam es, dass auch diese Prinzessin zu der Hütte im Wald kam. Sie erzählte von ihrem Vorhaben und sie alle beschlossen, dass sie die große Prinzessin beim Wasserholen begleiten sollte, vielleicht taucht die Frau ja nochmal auf.

 

So geschah es. Nach einigen Tagen trafen sie wirklich die verbitterte Frau. Wieder verlangte sie das Wasser und das Essen der beiden. Die kleine Prinzessin aber sah sie an und sagte „Liebste Tante! Dein Bruder, mein Vater ist todkrank! Er braucht dich!“. Kalt sah sie die Frau an und spukte die Worte fast aus „Er hat mich um mein Erbe betrogen! Das ist der Lohn!“ drehte sich um und ließ die beiden stehn.

 

Schwer wog der Stein in ihrer Tasche. Lang schon litt sie unter diesem Gewicht. Sie konnte kaum atmen, geschweige denn schlafen. Kein froher Gedanke wollte ihr kommen. Zu schwer zog dieser Stein an ihren Kräften. Aber was sollte sie tun. Er war alles was ihr geblieben war. Ihr ganzer Reichtum, ihr ganzer Sinn.

 

Die darauffolgenden Tage blieb sie weg von der Quelle. Sie wollte die beiden jungen Frauen nicht mehr sehn. Wollte nicht an ihren Bruder denken. Die Rachegedanken brachten sie fast um den Verstand.

 

Doch der Durst und der Hunger trieben sie wieder in die Nähe der Hütte. Auch die Wärme die sie ausstrahlte lockte sie immer öfter an. Zu lang lebte sie jetzt schon in der Kälte der Einsamkeit.

 

Eines Tages, die Alte war gerade am Weg ins nächste Dorf, Besorgungen zu machen, als sie beobachtete, wie die große Prinzessin die kleine Prinzessin zurückbrachte, verletzt von einem Wildschwein, dass durch die Wälder streunte.

 

Ohne groß nachzudenken lief sie auf die beiden zu und beugte sich über die Verletzte – durch ihre Zeit in der Wildnis hatte sie gelernt die eine oder andere Wunde zu versorgen. Dabei fiel ihr ohne, dass sie es merkte, der Stein aus der Tasche. Sie trugen das Mädchen in die Hütte und legten sie auf das Bett. Sie hielt die ganze Nacht Wache bei dem Mädchen, gab ihr zu trinken und im Morgengrauen öffnete die Kleine matt die Augen.

 

Und da geschah es, es ging ein Rucken durch ihren Körper und plötzlich löste sich der Panzer der so viele Jahre ihr Herz gefangen hatte. Sie saß nur da und die Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Die große Prinzessin stand schweigend daneben, die Hand auf ihrer Schulter.

 

Keiner bemerkte, dass die Alte zurückgekehrt war. Erschrocken sprang Hart-Lieb auf. Da spürte sie, dass ihre Tasche leer war. Lange musterte sie die alte Frau. Diese wiederum überprüfte die Verbände des Mädchens. Zufrieden setzte sie Teewasser auf.

 

Plötzlich drehte sich Hart-Lieb um, ging hinaus auf die Wiese. Die Prinzessin wollte ihr nach, doch die Alte hielt sie zurück. „Das muss sie alleine erledigen! Ihr habt ihr schon viel geholfen!“

 

Sie blieb den ganzen Tag draußen und offensichtlich suchte sie nach ihrem Stein, ihrem Schatz. Enttäuscht blieb die große Prinzessin in der Hütte. Versorgte die kleine Prinzessin und half der Alten.

 

Endlich am Abend klopfte es und Hart-Lieb stand mit dem Stein in der Hand draußen. Sie hielt ihn der Alten hin und meinte nur „Sag mir bitte, wie weise bist du, dass dich die Macht dieses Steins nicht gefangen hielt und du ihn mir einfach so ohne zögern überlassen konntest?“

 

Die Alte schaute sie gütig an, nahm den Stein wieder an sich und sagte: „Der wahre Reichtum dieses Steins ist: er lässt dich hinter die Fassade schauen! Wenn da Liebe und Vertrauen ist, verstärkt er Liebe und Vertrauen! Wenn da Gier und Bitterkeit ist, verstärkt er Gier und Bitterkeit!“

 

Epilog:

 

Die kleine Prinzessin war nach ein paar Tagen wieder fit und so zog sie mit ihrer Tante zurück in die Königsstadt. Sie konnte zwar nichts mehr für ihren Bruder tun, doch immerhin konnten sie einander verzeihen, ein großes Fest feiern und Frieden finden. Sie regierte von da an das Reich mit der Witwe des Bruders, immer darauf bedacht, die Gier und die Bitterkeit nicht wieder zurück in ihr Herz kehren zu lassen. Die kleine Prinzessin half ihr dabei nach besten Kräften.

 

Allein die Legende von der Einsiedlerin mit dem Schatz erinnerte sie noch an die Zeit der Einsamkeit im Wald.

 

Die Prinzessin hatte wieder etwas gelernt auf ihrem Weg und zog weiter ….

 

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